als er das Messer in die Sonne warf

Als er das Messer in die Sonne warf beschreibt einen Moment, der aus der Kontrolle geraten, zugleich unmöglich und irgendwie „falsch“ zu sein scheint. Ob seiner narrativ poetischen Qualität könnte der Ausstellungstitel ebenso gut Titel eines Films sein, oder einer Musik. Und damit wären auch schon einige der Charakteristika gestreift, die Claudia Märzendorfers Zugang zur bildhauerischen Arbeit prägen.

Vielmehr als Werke für die Ewigkeit zu schaffen, interessiert die Künstlerin das Prozessuale, die Veränderung, das Verschwinden eines Werks; das Unwiederbringbare eines flüchtigen Moments, der sich bloß in unsere Erinnerung einschreiben kann, und möglicherweise genau dadurch – im subjektiven Abrufen, Rekonstruieren des Erlebnisses – weiterlebt; wie Kindheitserinnerungen. Magisch. Ihr Verständnis von Bildhauerei ist ein filmisches.

Seit 1996 arbeitet und experimentiert Claudia Märzendorfer wiederholt mit einem Material, das dieser Idee des Unbeständigen, Unkontrollierbaren entgegenkommt: gefrorenem Wasser (fallweise auch Tinte). Sie schafft damit temporäre Objekte, einmalige Situationen, die wie musikalische Live-Aufführungen immer auch einen Moment der Überraschung, des Staunens in sich tragen.

Für ihre Ausstellung Als er das Messer in die Sonne warf hat Märzendorfer ein modulares Bausatzsystem entwickelt. Die vier, leicht variierenden Grundtypen können miteinander kombiniert werden, um einfache geometrische Körper – Prototypen – zu bauen: mal bleiben diese skizzenhaft abstrakt, mal nehmen sie konkret Form an, etwa wenn die fragilen Objekte beispielsweise an Leiter, Sessel oder Rahmen erinnern. Die Eisabgüsse bieten prinzipiell die Möglichkeit einer seriellen Produktion – was in der Idee des Bausatzes, das theoretisch unendlich kombinier- und erweiterbar ist, aufgegriffen und fortgesetzt wird; die Teile sind reproduzierbar, doch niemals ident. Das führt in der Praxis zu Abweichungen; Abweichungen, die unberechenbar, von der Künstlerin jedoch nicht ungewollt, sondern vielmehr Teil der Idee sind.
Als er das Messer in die Sonne warf folgt der filmisch kompositorischen Logik, insofern als die Künstlerin den Ausstellungsraum als eine Art „Bühne“ begreift, auf der sie während der Ausstellungsdauer immer wieder neue, aus Eis geschaffene räumliche Konstruktionen arrangiert, eine Abfolge unterschiedlicher Situationen schafft. Ein Gesamtbild der performativen Installation ist als solches live kaum erfahrbar: die meisten Besucherinnen bzw. Passantinnen werden die Szenografie höchstens fragmentarisch wahrnehmen.

Jeanette Pacher, März 2009