WANDABWICKLUNG Möglicherweise ist Landvermesser K Angestellter des Instituts für Stadtzerstörung GmbH. des Freundes S

WANDABWICKLUNG

Möglicherweise ist Landvermesser K. Angestellter des Instituts für Stadtzerstörung GmbH. des Freundes S.

BIG Conference 200 m Gang
Wandabwicklung T. bis A., rechte Wand
und 02 bis 22, linke Wand laut Plan Wandabwicklung.
Zeichnung im Maßstab 1:1

Die stetig steigenden Verkehrstoten in der Stadt bereiten dem Berufskiller S. Kopfzerbrechen im 1962 verfassten Essay Institut für Stadtzerstörung GmbH des japanischen Architekten und Autors Arata Isozaki. Der Verkehr als Tötungsmaschine macht S. Konkurrenz und verletzt seine Berufsehre, und gibt schließlich den Ausschlag dazu, das Genre zu wechseln. Um also die Konkurrenz auszuschalten, eröffnet Freund S. ein Büro für Stadtzerstörung.

Aus dem Prospekt des Instituts für Stadtzerstörung GmbH. – Geschäftsinhalte.
Unser Unternehmen beabsichtigt die vollständige Zerstörung der großen Städte, die sich wiederholt auf heimtückischen Massenmord eingelassen haben, und den Aufbau einer Zivilisation, wo der elegante, geschmackvolle und humanistische Mord ohne Schwierigkeiten ausgeführt werden kann. Wir werden alles tun, was zur Erreichung dieses Ziels notwendig ist.

Unsere Geschäftspraxis sieht folgendermaßen aus:
1. Physische Zerstörung
2. Funktionale Zerstörung
3. Zerstörung von Bildern.

Unser Unternehmen wird mit aller Kraft die hier beschriebenen Formen der Zerstörung durchführen und sich ständig um die Bekanntgabe neuer Pläne bemühen.

Landvermesser K. wiederum, der Protagonist in Franz Kafkas unvollendetem Roman Das Schloss, kämpft um die Anerkennung seiner Existenz von Seiten der undurchschaubaren und, wie sich herausstellt, letztlich unerreichbaren Instanz des Schlosses und ihrer Verwaltung. Während das Schloss die perfid perfekt organisierte Welt verkörpert, umkreist Kafka mit der Beschreibung der vergeblichen Mühen des Landvermessers K. die leere Mitte, Stadt, Gesellschaft. Was, wenn dieser nun eine neue Berufung als Angestellter am Institut für Stadtzerstörung gefunden hätte? Dem Leerlauf mit einer konstruktiven Wende zur Destruktion, zum Widerstand, Handeln entgegnet hätte?

Die temporäre Wandzeichnung von Claudia Märzendorfer Möglicherweise ist Landvermesser K. Angestellter des Instituts für Stadtzerstörung GesmbH des Freundes S. stellt den Versuch einer visuellen Übersetzung des Terminus technicus Wandabwicklung dar. Der Begriff, zu finden auf Plänen des BIG-Gebäudes, wird hier buchstäblich verstanden: so als würde man die Wand abrollen. Dadurch verdoppeln sich die Umrisse der Ausnehmungen wie Türen, Fenster, Kanten, Elektrodosen, Lüftungsklappen, Ein- und Ausbuchtungen, und die Gesamtheit des in seiner Form heterogenen Ganges wird verdichtet. Die Wandzeichnung zieht sich über die gesamte Länge des Ganges im 2. Stock der BIG, der altes und neues Gebäude miteinander verbindet. Stellenweise wird die Kontinuität der Zeichnung unterbrochen, an anderen Stellen ist der Rhythmus der Linien stark verdichtet – stets ist sie ein Spiegel der realen Architektur.

Die gezeichneten Forrmen erscheinen wie Spuren aus Stadtstaub. Pigmente wurden hierfür mit dem Pinsel direkt auf die Wand aufgetragen. Ihre Präsenz erinnert an die Abwesenheit eines anderen Gegenstandes – wie beispielsweise die typischen Spuren an den Wänden geleerter Wohnungen –, aber auch an die flüchtige Verdoppelung eines Gegenstandes durch seinen Schatten. Die Ausführung der Zeichnung als Staubarbeit unterstreicht den Kontext des urbanen Raumes und seine stete Veränderung. Wandabwicklung. Möglicherweise ist Landvermesser K. Angestellter des Instituts für Stadtzerstörung GesmbH des Freundes S. ist die bislang umfangreichste einer Reihe von Staubarbeiten von Claudia Märzendorfer, mit der sich die Künstlerin mit Vergänglichkeit, der Fragestellung von Bewahren und Zerstören, von Verschwinden und Neubeginn in der ihr eigenen Materialsprache auseinandersetzt. Mit action Painting (2003) nahm die Reihe ihren Anfang; zuletzt realisierte sie 2010 mit Tomorrow ist auch ein russischer Tag eine Serie an Staubregalen in Wien.

Übrigens: Die Arbeit ist laut Einreichung „gänzlich ungefährlich und ungiftig in Verarbeitung und Bestand“.

Jeanette Pacher